Analysiert man die letzten 10 Jahre, zeigt sich, dass die Baugeld-Zins-Entwicklung in diesem Zeitraum einen besonderen Einfluss nimmt. Nicht nur, wad den Zinssatz betrifft. Auch das Kauf- und Finanzierungsverhalten wandelt sich. Viele Gesetzmäßigkeiten der 2000er Jahre und der Jahrzehnte davor haben heute keine Gültigkeit mehr. Der Immobilienmarkt – und damit die Baufinanzierung – ist von neuen Entwicklungen betroffen, die auch in Zukunft Käuferverhalten und Kreditvergabe nachhaltig beeinflussen werden.
Die Baugeld-Zins-Entwicklung der letzten 10 Jahre hat es so noch nie gegeben
Am Anfang dieser rasanten Entwicklung stand eine Krise: Als 2008/09 das Kreditgeschäft in den USA im Zusammenhang mit der Lehmann-Pleite zusammenbrach, löste dies eine globale Finanzkrise aus. Infolge dessen sahen sich die Währungshüter veranlasst, Niedrigzinsen anzubieten, um die globale Wirtschaft zu stabilisieren und durch günstiges Geld die Kreditvergabe zu forcieren und den Konsum zu beleben. Waren 3,9 Zinsen für einen Baufinanzierungskredit 2010 mit 10 jähriger Zinsbindung und 20 Prozent Eigenkapital bereits ein sehr günstiges Angebot, so so sind heute Angebote unter einem Prozent die Regel.
Der deutsche Immobilienmarkt stagnierte seit den 1980er Jahren. Deutschland war – im Gegensatz zum europäischen Ausland, ein reiner Mietermarkt. Eigenheim-Besitzer waren die Minderheit. Der Staat versuchte zwar, die Immobilienbesitzer-Quote zu erhöhen; meinst aber vergeblich. Und das obwohl die Immobilienpreise zu jener Zeit im internationalen Vergleich tatsächlich günstig waren. Die Immobilienkäufer waren über Jahrzehnte im Alter zwischen 40 und 50 Jahre, die Zinsbindungen meist nicht länger als 10 Jahre, während der Tilgungssatz im Durchschnitt näher an einem wie an zwei Prozent lag.
Diese Gesetzmäßigkeiten hatten tatsächlich lange Zeit Bestand; ein entscheidender Umschwung lässt sich erst in den letzten 3 Jahren feststellen. Immobilienfinanzierer werden entscheidend jünger, alsTilgungssatz wird eher vier wie drei Prozent gewählt und auch die Kreditlaufzeiten verlängern sich im Durchschnitt auf 15 Jahre. All das ist der Baugeld-Zins-Entwicklung der jüngeren Vergangenheit geschuldet.
Die Baugeld-Zins-Entwicklung nimmt Einfluss auf die Immobilienpreise
Das immer weiter sinkende Zinsniveau steigert die Nachfrage nach Immobilien. Lag der durchschnittliche Kaufpreis inklusive Nebenkosten einer finanzierten Immobilie 2010 zwischen 250.000,- bis 290.000,– Euro 277.000 Euro, ilag dieser 2019 bereits bei über 409.000,— Euro und ist bis Sommer 2020 nochmals auf über 430.000,– Euro gestiegen. Nach wie vor gibt es dabei regionale Unterschiede in der Preisentwicklung –und sogar regionsabhängige Preisrückgänge – insgesamt ist 2020 aber von einer weiter steigende Tendenz geprägt.
Das Niedrigzinsumfeld der letzten 10 Jahre hat die Nachfrage nach Immobilien befeuert. Es führt aber auch dazu, dass Kaufpreise und Darlehenssummen deutlich steigen. Das Zinsniveau für Baufinanzierungen liegt nur bei etwa einem Viertel der vor zehn Jahren üblichen Konditionen. Diese sehr niedrigen Zinsen für Immobilienfinanzierungen ermöglichen leistbare monatliche Kreditraten. Dadurch werden die Kredit-Laufzeiten deutlich länger. Auch ein Grund, warum Kreditnehmer aktuell immer jünger werden. Die Immobilie bleibt trotz höherer Preise weiter interessant für Eigennutzer wie für Kapitalanleger.
Wer heute eine Anschlussfinanzierung benötigt, weil der Erstkredit ausläuft, darf sich besonders freuen. Eigenheimbesitzer mit bestehenden Krediten profitieren besonders von der Niedrigzinsphase. Und sie nutzen die Zinsersparnis zur Entschuldung. Die anfängliche Tilgung bei Anschlusskrediten ist von durchschnittlich 3,6 Prozent im Jahr 2010 auf heute 6 Prozent gestiegen. Bei einem Zinssatz von aktuell einem Prozent bedeutet das, dass man das Darlehen neun Jahre früher abbezahlt hat.
Warum Covid 19 der Nachfrage nach Immobilien nichts anhaben kann
In der Coronakrise steigert sich die bereits hohe Nachfrage nach Immobilien und Finanzierungen gesehen. Im April, kurz nach dem Allzeittief der Bauzinsen und zu Beginn der Coronakrise haben besonders viele Baufiinanzierungen abgeschlossen. Diese hohe Nachfrage hat auch im Herbst 2020 Bestand. Die Coronakrise hat die eigene Wohnsituation stärker in den Fokus gerückt. Der Wunsch nach dem eigenen Zuhause, nach der damit verbundenen Sicherheit und der Vermögenssicherung ist eindeutiig gewachsen. Die deutliche Mehrheit kaufen oder bauen eine Immobilie, um selbst darin zu wohnen. Diese privaten Anfragen steigen im Gegensatz zu gewerblichen und anlagebezogenen Anfragen. Dabei hat es aber im Vergleich zum Vorjahr 2019 keine großen Veränderung gegeben.
Heute achten Käufer angesichts der hohen Kauf- und Kreditsummen mehr als vor zehn Jahren darauf, sicherheitsorientiert zu finanzieren – mit höheren Tilgungen, längeren Zinsbindungen und höheren Summen an Eigenkapital. Immobilienkäufer und Bauherren legen heute besonders auf Sicherheit in der Finanzierung Wert. Diese Sicherheit wird insbesondere durch drei Faktoren bestimmt: hohe Anfangstilgung, hoher Eigenkapitalanteil von mindestens 20 Prozent und längere Zinsbindung. Besonders beim Eigenanteil zeigt sich die Tendenz: hatten Bauherren und Käufer 2010 etwas mehr als 80.000,- Euro zu Verfügung, sind es 2020 bereits mehr als 110.000,- Euro.
Die Coronakrise bewirkt zudem, dass Baufinanzierungsinteressenten die monatlichen Belastungen im Rahmen halten wollen. Deswegen sind flexible Darlehen besonders nachgefragt: die Möglichkeit von Tilgungssatzwechseln und Ratenanpassungen währen der Vertragslaufzeit, um bei Einkommenseinbußen oder einem höheren Einkommen die Raten entsprechend anpassen zu können. Interessant auch: letztendlich liegen die Durchschnittsrate heute bei rund 1050 Euro im Monat. 2010 waren es rund 925 Euro, also nur 125 Euro weniger, trotz heute höherer Tilgung. Diese niedrigen Monatsraten trotz höherer Darlehenssummen werden durch den erhöhten Eigenkapitalanteil unddie niedrigen Zinsen möglich.
Die Baugeld-Zins-Entwicklung für 2021 – weiterhin stabil
Das Zinsumfeld bleibt weiterhin günstig. Die lockere Geldpolitik der Notenbanken sowie die anhaltende Nachfrage nach langfristigen Anleihen und Pfandbriefen stützen dabei das niedrige Zinsumfeld. Ob die Nachfrage nach Immobilien weiterhin so hoch bleibt und inwieweit dem Interessenten die Möglichkeit gegeben ist, sich eine Immobilie und ein Darlehen leisten zu können, hängt aber nicht nur vom Niedrigzins ab. Vor allem von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland und die damit verbundenen Einkommenserwartungen werden entscheidend sein. Fakt ist auch, dass die in den letzten 3 Jahren festgestellte intensive Nachfrage nach Immobilienkauf auch von den Einkommenszuwächsen der vergangenen Jahre befeuert wurden, die viele Arbeiitnehmer zu verzeichnen hatten. Aktuell kann man von einer weiterhin hohen Nachfrage nach Immobilien und Finanzierungen ausgehen. Langanhaltende Probleme würden die Nachfrage dämpfen. Trotzdem zeigt die aktuelle Entwicklung, dass der Immobilienmarkt robust und die Immobilie als krisenresidente Anlageform weiter attraktiv ist.