Die Zinsbindung ist eine der wichtigsten Entscheidung bei der Wahl eines Baufinanzierungskredits. Diese Laufzeit entscheidet nicht nur über den Zinssatz sondern auch darüber, welches Risiko man eingeht. Denn alle, die keine Volltilgung des Kredits anstreben – also die vollständige Rückzahlung im Rahmen der Laufzeit der Erstfinanzierung, müssen nach Ablauf die verbliebene Restschuld mit einer Anschlussfinanzierung neu finanzieren. Aber wer kann heute einschätzen, wie z. B. in 20 Jahren der Bauzins notiert? Ist dieser zum diesem Zeitpunkt massiv gestiegen, droht eine wesentlich teurere Nachfolgefinanzierung der verbliebenen Restschuld. Andererseits kostet ein Volltilgerdarlehen weit höhere Zinsen während der festgeschriebenen Laufzeit im Vergleich zu einer sehr kurzen Zinsbindung von 5 Jahren. Welche Faktoren spielen für die Entscheidung eine Rolle?
Die Zinsentwicklung in den letzten 40 Jahren
Betrachtet man die Zinsentwicklung der Vergangenheit, so fällt sofort auf, dass Baugeldzinsen 2022 immer noch günstig sind. Auch wenn Anfang des Jahres 2022 die Zeit der historisch niedrigen Baugeldzinsen vorbei war und eine Trendumkehr zu beobachten ist.
- 1980 lag der durchschnittliche Zins in der Baufinanzierung bei über 11 Prozent,
- danach fiel er bis 1985 auf ca. 6 Prozent,
- um bis 1990 wieder auf 11 Prozent zu steigen.
- Seitdem gingen die Zinsen kontinuierlich zurück: 2000 auf ca. 6 Prozent,
- bis 2008 auf 5 Prozent,
- 2011 waren ca. 4 Prozent die Regel.
- Zwischen 2015 – 2018 konnte man Zinsen für ca. 1,5 Prozent erhalten,
- während danach bis 2020 unter 1 Prozent möglich waren.
- Aktuell tendiert der Zinssatz für Immobilienkredite bei ca. 2,4 Prozent.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass der aktuelle Zinssatz 2022 im historischen Vergleich immer noch günstig ist. Vor 2015 war ein solcher Zinssatz weder realistisch noch erwartbar. Erst durch die Auswirkungen der Finanzkrise, durch die massiven Interventionen der Zentralbanken und der Politik kam es nach 2015 zu diesen historischen Niedrigzinsen, deren Zeit nun aber erst einmal vorbei scheint.
Der Einfluss der Zinsbindung auf den Zinssatz
Den Zeitraum der Zinsbindung kann individuell festgesetzt werden. Üblich ist dabei eine Zinsbindung über 5, 10 oder 15 Jahre. Es lassen sich aber auch längere Sollzinsbindungen über 20, 25 oder sogar 30 Jahre vereinbaren. Aber je länger die Zinsbindung, desto höher in der Regel der vereinbarte Zinssatz. Denn eine längere Laufzeit lässt sich die Bank durch einen Zinsaufschlag bezahlen, um damit das Risiko weiter steigender Zinsen auf dem Zinsmarkt abzufedern. Das kann man als eine Art Versicherungsprämie für die Bank verstehen. Im Durchschnitt ist aktuell der Sollzins einer 20-jährigen Sollzinsbindung gegenüber einer 10-jährigen um circa 0,5 Prozent höher.
Für die Entscheidung über die Laufzeit eines Baufinanzierungsvertrags gilt eine Faustregel: Erwartet man, dass die Bauzinsen in Zukunft sinken, empfiehlt sich eine kurze Sollzinsbindung von z. B. fünf Jahren. Zwar ist dann nach Ablauf des Vertrags der Kredit in der Regel nicht vollständig zurückgezahlt. Aber mit der dann notwendigen Anschlussfinanzierung hat der Kreditnehmer die Möglichkeit, sich die dann möglicherweise in fünf Jahren geltenden niedrigeren Zinsen zu sichern. Umgekehrt gilt: Steigen die Bauzinsen, sollten Kreditnehmer eine möglichst lange Sollzinsbindung wählen. So sind die zu diesem Zeitpunkt noch günstigen Zinsen auch für die Zukunft gesichert.
Experten empfehlen deswegen im Jahr 2022, bei dem aktuell immer noch hünstigen Zinsniveau eine lange Zinsbindung zu wählen. Denn der Kreditnehmer hat nach Ablauf von zehn Jahren die Möglichkeit, längerfristige Darlehensverträge einseitig zu kündigen, um dann eine günstigere Anschlussfinanzierung zu erhalten. Allerdings macht eine besonders lange Zinsbindung das Baudarlehen auch teurer.
Zinsbindung im aktuellen Vergleich
Folgende Zinssätze in Abhängigkeit der Zinsbindung werden im Mai 2022 werden für einen durchschnittliches Annuitätendarlehen – Neubau eines selbstgenutzten Einfamilienhauses, Darlehensbetrag 400.000 Euro, Eigenkapital 100.000 Euro mit 3 Prozent Tilgung – im Durchschnitt von der finanzierenden Bank angeboten:
- Sollzinsbindung 5 Jahre – effektiver Jahreszins: 2,48%
- Zinsbindung 10 Jahre – effektiver Jahreszins: 2,68%
- Sollzinsbindung 15 Jahre – effektiver Jahreszins: 3,04%
- Zinsbindung 25 Jahre – effektiver Jahreszins: 3,52%
Die Zahlen eines der großen deutschen Baufinanzierungsvermittler-Portale europace zeigen, dass in den letzten 6 Monaten die Nachfrage nach kurzen Zinsbindungen von 5 Jahren massiv gesunken ist und inzwischen gegen Null tendiert. 10 jährige Baufinanzierungen sowie Baufinanzierungen, die länger als 15 Jahre laufen halten sich inzwischen mit jeweils knapp 50 % Nachfrage die Waage. Diese Tendenz zeigt, dass Kreditnehmer langfristig mit steigenden Zinsen rechnen und deswegen langfristige Zinsbindung bevorzugen, um auf Nummer sicher zu gehen.
Die Wahl der Zinsbindung ist immer eine individuelle Frage
Letztendlich geht es immer um die Zukunft des Kreditnehmers. Eine gute Baufinanzierungsberatung muss die Lebenssituation und Lebensplanung des Kreditnehmers berücksichtigen. Das kann dann eventuell auch dazu führen, dass eine kurze Zinsbindung trotz der Unwägbarkeiten des steigenden Zinsniveaus oder die Aufteilung auf verschiedene Baufinanzierungskredite mit unterschiedlich langen Zinsbindungen sinnvoll ist. Etwa dann, wenn der Kreditnehmer in Zukunft mit einer Erbschaft rechnen kann, die man dazu nutzt, einen kurzlaufenden Kreditvertrag nach Ablauf in einer Summe abzulösen.
Aber auch die Fragen nach staatlichen Förderprogrammen und Zuschüssen insbesondere bei der Neubaufinanzierung sind in Betracht zu ziehen. Denn hier stellt sich die Frage, ob die hohen Anforderungen, die Einfluss auf die Kosten des Neubaus nehmen, z. B. einen KfW-Kredit rechtfertigen, der eventuell nur unwesentlich günstigere Zinsen als Angebote des freien Marktes gewähren. Oder ob der Kauf einer Bestandsimmobilie besser in den finanziellen Rahmen des Kreditnehmers passt, da hier mit weit höheren Zuschüssen und Förderungen zu rechnen ist.
Auch die Frage nasch der Kreditform ist zu beantworten: Muss es unbedingt ein Annuitätendarlehen sein? Oder könnte z. B. ein endfälliges Darlehen – also ein Darlehen, dass keine Tilgung vorsieht – sogar eine Alternative sein, dass dann der Kreditnehmer nach Ablauf komplett zurückzahlt? Als gewichtigstes Argument für eine lange Zinsbindung ist die Kalkulationssicherheit anzuführen. Wenn man mit wenig Eigenkapital finanziert, erscheint eine möglichst lange, und damit auch teuerere, Finanzierung sehr sinnvoll und sicher. Letztendlich ist die genaue Analyse der eigenen finanziellen Situation, das Abwägen der Möglichkeiten und exaktes und „ungeschöntes” Durchrechnen das Gebot der Stunde. Und das am besten mit einem versierten Baufinanzierungsberater, der bankenunabhängig die bestmöglichen Angbebote auf der Kreditmarkt der Immobilienfinanzierung kennt.